rock'n'pop museum

Popkultureller Ausflugstipp im Münsterland

rock'n'popmuseum in Gronau

Pop! Das hat nicht in erster Linie was mit Musik zu tun. Für den deutschen Poptheoretiker Diedrich Diederichsen ist sie bloß ein Hintergrund für die viel tiefer liegenden, viel weiter ausstrahlenden Signale: ein Hybrid aus Vorstellungen, Wünschen, Versprechungen: ein Feld für Posen und Pakte, für Totems und Tabubrüche. Das klingt verkopft. Und das ist es auch. Aber er hat Recht! Pop ist immer auch ein Lifestyle – ein Zusammenhang aus Bildern, Sounds, Performances, Musik, Texten und realen Personen – egal ob Popstars oder Popkonsumenten. Zusammengenommen nennt man das Ganze Popkultur. Und die komplette Geschichte dieser und ihr Facettenreichtum kann man seit 2004 im rock’n’popmuseum in Gronau entdecken.

Gronau ist eine Kleinstadt im westlichen Münsterland, direkt an der Grenze zu den Niederlanden. Denkt man an Pop und Rock’n’Roll schwirren einem eher Metropolen wie Berlin, Hamburg, Seattle, Los Angeles, Liverpool oder London durch den Kopf. Doch man muss nicht so weit reisen, um die Kulturgeschichte der Popularmusik im 20. und 21. Jahrhundert in ihrer komplexen Vielheit zu erleben und ihre Mythen zu entdecken. Das alles gibt es im rock’n’popmuseum. Symbolisch und tatsächlich – und das ist sicherlich kein Zufall – auf dem Udo-Lindenberg Platz 1, die offizielle Hausanschrift des Museums.

Gegründet von Pop-Ikone Udo Lindenberg

2004 wurde das Museum in der Geburtsstadt der deutschen Pop-Ikone Udo Lindenberg eröffnet. Der Deutschrock-Poet und notorische Hotelbewohner hatte schließlich auch die Idee für das Museum in der ehemaligen Turbinhalle des Textilunternehmens Mathieu van Delden. Er nahm noch die Popkomm, Fachmesse für Musik und Unterhaltung, mit ins Bott, die in den 90er Jahren in Deutschland die Musikwirtschaft belebte, um das Konzept inhaltlich mit aufzuarbeiten. Seit der Eröffnung pilgern deutschland- und europaweit Popfans nach Gronau, um die 100-jährige Geschichte des Pop zurückzuspulen. Das Ausstellungskonzept ist einzigartig in Europa.

Die Dauerausstellung: Sounds, Visions and Exhibitions

Vom ersten Millionenseller „Gebet der Jungfrau“ bis hin zum Punkrock, oder von Elvis Presley, den Beatles bis zu den Einstürzenden Neubauten, Helene Fischer und Lady Gaga – stilistisch, genretechnisch, Pop-epochenmäßig findet sich hier die ganze popkulturelle Bandbreite. Zudem können hier die Protagonisten der Popularmusik im gesellschaftspolitischen Spannungsfeld zwischen Imitation, Agitation, Progression und Affirmation von 1877 bis heute entlang einer Zeitschiene multimedial bestaunt werden. Die ganze Kulturgeschichte der Musik, angefangen bei der Kammermusik, ist hörbar und fühlbar. Darüber hinaus – und was wäre ein Museum ohne seine Exponate –vom Grammophon bis zur CD und dem Mp3-Player oder Spotify – Popgeschichte ist immer auch Medien- und Technikgeschichte. Auch diese Aspekte werden detailliert in Szene gesetzt.

Zudem können klassische Rock- und Popstar-Devotionalien bewundert werden. Darunter die Haschischdose von John Lennon (The Beatles). Gleich daneben finden sich Bob Dylans Mundharmonika, die Militäruniform von Elvis Presley und der Handschuh von Marlene Diedrich. Dazwischen die Querflöte von Ian Anderson (Jethro Tull) und das Bühnenoutfit von Jimi Hendrix.

Flying V-Gitarre von „The Who“-Gitarrist Pete Townshend

Ein weiteres Highlight für alle Rockfans und Gitarrennerds: in einer Glasvitrine ruht eine „Flying V-Gitarre“ des legendären „The Who“-Gitarristen Pete Townshend. Den Rock’n’Roll hat das Instrument fast unbeschadet überlebt – das Stück befindet sich in einem Top-Zustand – denn der Gitarrist neigte dazu, sein Instrument oft mit brachialer Gewalt auf den Bühnenboden oder gegen seine Verstärkerwand zu schmettern. Die Gitarrenpflege dagegen spielte für den Gitarristen dieser Epoche häufig nur eine untergeordnete Rolle. Für den normal sterblichen Gitarristen sieht das hingegen anders aus. Da muss die Gitarre strategisch und in geregelten Abständen gepflegt werden. Das Zerrschmettern von Gitarren mag zwar auf der Bühne martialisch aussehen, ist für den Musiker aber ein teures Vergnügen. Ohnehin verdient die E-Gitarre als klassisches Symbol des Rock mehr Anerkennung. Auflehnung, Rebellion, Sex &Drugs sind destilliert in diesem Instrument. Ein Klischee? Ja! Historisch betrachtet aber richtig. Dieses Bild zieht sich wie ein roter Faden durch das Museum: die Gitarre symbolisiert in Gronau den Rock’n’Roll, alles andere den Pop.

Sehen, hören, fühlen & Was ist Pop?

Aber was ist Pop? Gehört der Rock’n’Roll dazu? Natürlich. Poptheoretiker Diedrich Diederichsen hat Recht: Pop ist facettenreich und ein weites Feld. Für ihn ist Pop ein multimediales Amalgam aus Tönen, Bildern, Platten-Covers, Videos, Texten, Erwartungen, Erinnerungen, Erzählungen, Mythen, Eindrücken aus verschiedenen Rezeptionssituationen, Posen – das erst durch den Fan synthetisiert wird. Und darüber hinaus, Pop-Phänomene sind immer auch Kultur- und Gesellschaftsgeschichte, und somit auch immer Zeitgeschichte.

Eine komplexe Sache also, dem das Museum allemal gerecht wird. Das Gronauer rock’n’popmuseum, zeigt wie und warum Popmusik zu dem jeweiligen Zeitpunkt entstanden ist und welche gesellschaftlichen Zustände sich hinter dem Sound verbergen.

Übrigens: Der Ausstellungsraum des Museums kann in eine 800 Besucher fassende Halle verwandelt werden. Live-Gigs internationaler, nationaler und regionaler Musiker aller Genres stehen monatlich auf dem Programm. Und ab und zu gibt es hier auch Lesungen.

Repeat & Fade: Popinstitution plant Umbau

Summa sumarum – das rock’n’popmuseum in Gronau ist kein gewöhnliches Museum. Denn neben der Dauerausstellung, den Sonderausstellungen und der Archivierung versteht sich diese Popinstitution auch als Bildungs- und Kulturzentrum. Und wie sieht der Masterplan nach 13 Jahren für die Zukunft aus? Als nächstes steht in diesem Jahr ein Umbau an. „Der Museumsverein möchte die 13 Jahre alte Dauerausstellung modernisieren, da vor allem die technische Ausstattung des Museums nicht mehr zeitgemäß ist“, sagt die NRW-Stiftung. Das Hauptziel: ein barrierefreies behindertengerechtes Museum. Neben dem Umbau soll es aber auch eine ergänzende Neuorientierung geben: „Inhaltlich soll sich die neue Ausstellung stärker auf das Bundesland NRW und dessen vielfältige Musikgeschichte konzentrieren“.

rock’n’popmuseum

Udo-Lindenberg-Platz 1 / Spinnereistraße, 48599 Gronau

Öffnungszeiten

  • Mi bis So: 10 – 18 Uhr
  • Di: nur auf Anfrage (für Gruppen ab 30 Personen)
  • Mo: geschlossen

Eintrittspreise:

  • Erwachsene: 8,50 €
  • Kinder bis 6 Jahre: Eintritt frei

31. März 2017
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